Schlemmen gegen Rechts
Politisch aktiv mit dem Kochlöffel
von Reymer Klüver
Hamburg, 9. September - Wie wär's mit Enten-Geröstel
auf schwarzem Dachziegel? Und vorneweg vielleicht ein Scampi-Shooter,
ein Süppchen, im Reagenzglas serviert? Anstelle des üblichen
Korkens verstopft mit einer Garnele? Es ist so ziemlich alles anders
an diesem Abend, nicht nur das etwas ungewöhnlich dargebotene
Essen. Auch die weiß-blaue Kulisse der sternförmig um
die Küche aufgebauten Tische ist schillernd: weiß gleißen
die angestrahlten Getränke-Kisten, 15-fach aufeinander getürmt,
blau schimmern die darin befindlichen Wasserflaschen. Ente und Garnele,
Aal und Kalbszunge werden im nüchternen Lagferhaus der Sylt-Quelle
gereicht, im kleinen, feinen Inseldorf Rantum, nur ein paar Schritte
vom Wattenmeer entfernt.
Event nennt man derartige, leicht grelle Veranstaltungen nicht
nur auf der Insel Sylt. Sechs Küchenkünstler, unter ihnen
die Sterneköche Ralf Zacherl, Wolfgang Müller und Stefan
Marquard (letzterer, in Münchens Lenbach tätig, spielt
nebenher schon mal in einer Punkband) haben sich zusammengefunden,
um an diesem Sonntagabend 200 Gästen ein Menü der Meisterklasse
mit Ingredienzen aus den fünf Kontinenten dieser Erde zu servieren.
Dabei machten die Star- und Sterneköche gemeinsame Sache mit
der Roten Gourmet Fraktin, einem Catering-Unternehmen, das für
gewöhnlich Popbands wie die Toten Hosen oder die Ärzte
auf ihren Tourneen verköstigt. Kein geringerer als Campino,
der Sänger der Toten Hosen, hatte Caterer und Köche zusammengeführt.
Nun, all dies wäre nicht unbedingt bemerkenswert, hätten
nicht zur selben Zeit etwa 60 Spitzenköche in 40 Restaurants
quer durch Deutschland ebenfalls ihr persönliches Fünf-Kontinente-Menü
serviert, in weiteren Restaurants auf Sylt, in Hamburg, Hannover
und Berlin, auf der Insel Rügen und auf Gut Boltenhagen an
der mecklenburgischen Ostseeküste, im schäbischen Salach
und in Heidelberg (in München allerdings hat sich niemand gefunden).
Sie alle kochen wohl nicht so schrill wie die sechs jungen, wilden
Köche im Watt. Doch alle kochen sie gegen Rechts und "für
ein weltoffenes Deutschland". Sie beteiligen sich an einer
Initiative namens Cuisinier du Coeur (Koch mit Herz), die von Christian
Romanowski, einem Händler für exquisites Küchengerät,
initiiert und von bekannten Meistern der Kunst wie Rolf Straubinger,
Susanne Vössing, Sante de Santis oder Wolfgang Müller
unterstützt wurde. Der Erlös des bundesweiten Benefiz-Kochens
soll dem Verein Gesicht zeigen! zufließen, den neben anderen
der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul
Spiegel, und Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye als eine Antwort
auf den wachsenden Rechtsextremismus in der Bundesrepublik gegründet
haben.
Überall wollten Künstler an diesem Abend mitmachen, Schauspieler
oder Moderatoren für den guten Zweck kellnern. Und ihre Gäste
sollten quasi für eine gerechte Sache schlemmen. Doch gerade
das, findet der schreibende und auch sonst keinerlei Genüssen
abgeneigte Frankfurter Koch Klaus Trebes, hat dann doch einen Hautgout.
Im Zwiegespräch mit einem der Titanen des Kochtopfs, dem Stuttgarter
Großmeister Vincent Klink, murrte er in der Woche, das Ganze
sei nichts als "Selbstberuhigung für Gutmenschen".
Womit er zumindest in einem nicht so falsch liegen kann: Wer zweihundert
Mark für ein Benefiz-Essen zu zahlen bereit ist, muss wahrscheinlich
nicht mehr lange überzeugt werden vom guten Zweck der Sache.
Doch bemerkenswert, wenn nicht beunruhigend ist, was Vincent Klink
seinem Kollegen antwortet. Und was zum Beispiel auch Ole Plogstedt
von der Hamburger Rote Gourmet Fraktion beklagt. Klink meint, die
Gastronomie in Deutschland sei "allgemein verdammt rechtslastig",
weshalb er die Aktion unterstütze. Allein die Zeit fehle ihm,
um richtig einzusteigen. Und Plogstedt erzählt, auch in Kreisen
von Gourmets und Gourmands hätten es manche für geschmackvoll
erachtet, die Aktion der Köche als "Judenveranstaltung"
zu beschimpfen. "Wer da nichts tut, der macht mit, gerade auch
in unserer Szene", sagt Plogstedt. Der Berliner Marco Müller,
der mit 33 Jahren zu den Nachwuchs-Stars zählt und an der Sylt-Quelle
ebenfalls dabei ist, glaubt, dass gerade junge Köche Vorbilder
brauchen: "Wir wollen, dass bei den Kollegen in Prozess im
Kopf losgeht."
Süddeutsche Zeitung, 10.9.2001
http://www.sueddeutsche.de/aktuell/sz/artikel76181.php
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Kinder kochen für ein weltoffenes Deutschland
Hanns Kupky's rollende Kinder-Theaterküche sucht für
erstes Event noch Vorschläge für Deckblatt der Menükarte
/ Familienwochenende zu gewinnen...
Geschmacksunterricht für Kinder von 4 bis 16 Jahre ist ein
Betätigungsfeld, welches man in der McChicken- und BigMäc-Ära
lange suchen muss. Hanns Kupky, derzeit noch in Göhren tätig
und international erfahrener Küchenchef, möchte mit seiner
von ihm initiierten rollenden Kinder-Theaterküche offensichtlich
längst vergessene Akzente neu beleben. Erstmalig findet die
Kinder-Show-Erlebnisküche am 9. September im Gutshof Boltenhagen
in Boltenhagen bei Grimmen statt. Zusammen mit 15 Kindern will der
Initiator dann hausgemachte Bandnudeln mit Tomatensauce, frischem
Blumenkohl und kleinem Schweineschnitzel in einer Käse-Eihülle
gebraten sowie frische Eierpfannkuchen mit selbstgepflückten
Äpfeln und Schokoladensauce auf den Tisch bringen. Dieses Menü
steht bereits fest, aber Kupky hat noch ernsthafte Sorgen hinsichtlich
der Gestaltung eines Deckblattes für die Menükarte. Dabei
können ihm nun alle interessierten Kinder im Alter zwischen
7 und 14 Jahren mit eigenen gezeichneten Vorschlägen helfen.
Der beste Vorschlag wird mit dem Gewinn eines Familienwochenendes
in der Demminer Mühle am 8./9. September prämiert. Also
ran an die Malutensilien und die persönlich gestaltete Menükarte
an "Essbare Landschaften", Gutshaus Boltenhagen in 18516
Boltenhagen bei Grimmen verschicken.
http://www.ruegenaktuell.de/ruegen/magazin.php3?mid=&uid=&klick=&action=show&id=309
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